Geben kann so leicht sein

Briefe gegen die Einsamkeit

Ein Füllerfeder

Die momentane Situation im Angesicht einer weltumspannenden Pandemie trifft derzeit insbesondere die Menschen, die in Pflege- und Senioreneinrichtungen wohnen. Sie können aufgrund der Corona-Krise keinen persönlichen Besuch empfangen. Diese aus medizinischer Sicht nachvollziehbare Isolation verkleinert die sowieso schon kleiner gewordene Welt dieser Menschen noch einmal. Umso bewundernswerter ist es, wenn es Menschen gibt, die mit kleinen Gesten, wie Briefe schreiben, versuchen solch schwierige Lebenslagen abzufedern. Ursel Plass, Jahrgang 1940 (!), ist einer dieser Menschen.

Es liegt schon länger zurück. Ursel Plass und Anneliese B. (Name von der Redaktion geändert), die heute 97 Jahre alt ist, waren Nachbarinnen. Und liebevolle Hundebesitzerinnen. Man traf sich immer wieder im zentrum plus in Heerdt und Annelieses Hund Daisy galt anfangs als „etwas schwierig“. Man war sich zuerst nicht sicher, ob sich die beiden Tiere vertragen würden. Wie sich herausstellen sollte, war die Sorge gänzlich unbegründet. Mit der Zeit stellten sich bei Anneliese B. zunehmend gesundheitliche Probleme ein. Es folgten Klinikaufenthalte und plötzlich war Ursel Plass Hüterin zweier Hunde. Heute wohnt Anneliese in einer Seniorenpflegeeinrichtung. Sie leidet unter fortschreitender Demenz und vielleicht wird sie sich ja nicht mehr daran erinnern, dass ihr Hund Daisy vor Jahren eingeschläfert werden musste. „Ein Foto ihrer Daisy hängt aber über ihrem Bett!“ So Frau Plass.

Besuche jeden Dienstag

Bis vor ein paar Wochen besuchte sie ihre ehemalige Nachbarin jeden Dienstag. Und nicht selten brachte sie zu ihren Besuchen eine Sechserpackung Eis-am-Stil mit, denn Anneliese liebt Eis. An diesen Dienstagen spielten die beiden Damen, unterhielten sich und sangen gemeinsam Lieder. Oft war es vor allem Anneliese, die textsicher bis zur letzten Strophe war! Wenn ein Besuch einmal nicht möglich war, wurde miteinander telefoniert.

Seit Mitte März nun unterliegen Senioreneinrichtungen bekanntermaßen erheblichen Besuchseinschränkungen. Das hindert Frau Plass allerdings nicht im Geringsten daran, den Kontakt zu ihrer alten und im Augenblick isolierten Nachbarin aufrecht zu erhalten. Jeden Sonntag schreibt Sie einen Brief, notiert Gedanken und Anregungen, denkt sich einfache Rechenaufgaben aus, denn hier zeigt Anneliese noch bemerkenswerte Qualitäten. Oder sie sucht leichte Knobeleien für ihre Bekannte aus. Und damit Anneliese auch alles gut lesen kann, tippt Ursel Plass diese regelmäßigen Briefe auf der Schreibmaschine!

Sie versteht nicht so recht, warum viele Leute ihren Einsatz für etwas Besonderes halten … und einen Moment lang ist man sprachlos, denn, wie sagte ein französischer Philosoph: Gewöhnlich haben die Menschen den guten Willen zu helfen nur bis zu dem Augenblick, da sie es könnten.

Text: Thomas Christen

Anja Trepels

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