Internet- und Onlinesucht 

Fünf Fragen an unsere Expertin

 

 

Sie kennen Ihr Kind nur noch „always on“ mit dem Handy in der Hand, am Tablet, vor dem Computer oder der Spielekonsole und machen sich Sorgen? Wissen aber nicht, was Sie jetzt am besten tun? Wir haben mit unserer Suchtpräventions-Expertin Hedwig Claes von der Diakonie Düsseldorf gesprochen. Sie ist Diplom-Sozialarbeiterin und arbeitet unter anderem für CROSSPOINT - Die Düsseldorfer Suchtprävention.

Frau Claes, was ist Internet- und Online-Sucht?

Seit 2018 ist zumindest die Online-Spielsucht endlich eine von der Weltgesundheitsorganisation WHO offiziell anerkannte Sucht. Ansonsten fasst man unter dem Begriff „Internet- und Onlinesucht“ die exzessive Nutzung digitaler und vor allem onlinebasierter Medien zusammen, die ähnlich einer stoffgebundenen Abhängigkeit ist. Am häufigsten wird davon mit Blick auf Online-Spiele gesprochen. Aber immer mehr drängen auch Social Media – Netzwerke wie Facebook, Instagram, Tiktok – in den Fokus. So soll Instagram laut Presseberichten aus dem vergangenen Jahr nach eigenen Feststellungen das Körperbild bei einem von drei Mädchen im Teenager-Alter verschlechtern, was unter anderem in Verbindung mit der Zahl der Selbstverletzungen von jungen Frauen in den USA gebracht wird.

Welche Jugendlichen betrifft eine Internet- und Onlinesucht?

Junge Menschen im Alter von 12 Jahren bis 20 Jahren befinden sich in einer Phase des Ausprobierens. Dazu gehört heute auch alles Digitale. Studien zeigen, dass in dieser Altersgruppe im Grunde junge Frauen und Männer gleich betroffen sind. Allerdings sind junge Männer, die mit einem Ballerspiel vor der Spielkonsole sitzen, auffälliger, als junge Frauen, die auf ihrem Smartphone online Videos konsumieren oder produzieren.

Wie stellen Eltern fest, ob ihr Kind an etwas wie Online- oder Internetsucht leidet?

Eltern sollten zunächst das Verhalten ihres Kindes über einen Zeitraum von rund einem dreiviertel Jahr beobachten. Vernachlässigt das Kind Schulbesuch, Hausaufgaben, Sport oder den Kontakt mit dem realen Freundeskreis? Lässt die Leistung in der Schule nach? Gibt‘s häufiger Konflikte insbesondere um die Nutzung von zum Beispiel Smartphone oder Tablet und der Online-Medien und das unbedingte Festhalten daran, letztlich einen Kontrollverlust? Das sind wichtige Kriterien. Wenn über die Zeit mehrere dieser Punkte zutreffen, kann man von süchtigem Verhalten sprechen. Dann ist es aber immer noch ein Schritt bis zu einer Sucht.

Problematisch wird es, wenn Jugendliche aus sogenannten Coping-Gründen online sind, weil sie mit der realen Welt nicht mehr zurechtkommen oder sich niedergeschlagen fühlen.

Ich rate dazu, dass Eltern ihren Eindruck auch mit dem von anderen Eltern und deren Kindern und deren Verhalten abgleichen. Das hilft bei der Einordnung.

Allerdings sollten Eltern bei der Beurteilung ihr eigenes Verhalten mit in die Waagschale werfen. Wer selbst – und sei es aus beruflichen Gründen – ständig am Smartphone ist, lebt seinem Kind ein bestimmtes Verhalten vor.

Wie sollten Eltern einschreiten?

Generell sollten Eltern sich dafür interessieren, was ihre Kinder in der digitalen Welt unternehmen und darüber mit ihnen im Gespräch sein.  Der größte Fehler ist wegzugucken und sich nicht zu interessieren. Für Gespräche empfiehlt es sich, eine Vorwurfshaltung zu vermeiden – denn die führt zu nichts – und stattdessen Probleme und Gründe zu erforschen. „Was machst Du da?“ und „Warum ist Dir das so wichtig?“ sind dafür zum Beispiel gute Fragestellungen.

Es ist dann wichtig, dass Eltern mit den Kindern Regeln verabreden. Das Kind muss wissen, welches Verhalten akzeptabel ist und welches nicht. Viel zu oft haben Eltern dabei zu hohe Erwartungen an die Fähigkeiten Ihrer Kinder, sich selbst zu regulieren. Deswegen sage ich ganz deutlich: Eltern bestimmen die Regeln.

Wenn Eltern sich einmal interessieren, sollten Sie unbedingt am Thema dranbleiben und hierzu konsequent das Gespräch suchen. So zeigen sie, dass es ihnen ernst ist. Und wenn sie Regeln aufstellen, müssen sie deren Einhaltung auch kontrollieren können und diese Kontrolle auch vornehmen. Wenn zum Beispiel während des gemeinsamen Essens Smartphones keinen Platz am Esstisch haben, hilft eine Kiste im Flur, in die alle ihre Geräte legen, um den Überblick zu behalten.

Wohin können sich Eltern wenden, wenn Sie Information, Unterstützung oder Hilfe benötigen?

Ich sage das auch den Eltern in meinen Beratungen immer wieder ganz deutlich: „Sie müssen das nicht alleine schaffen, suchen Sie sich Hilfe!“ Erster Anlaufpunkt sind oft andere Eltern, häufig aus dem eigenen engeren Freundes- und Bekanntenkreis. Offizielle Selbsthilfestrukturen gibt es dazu noch nicht.

Professionelle Hilfe finden Eltern in Düsseldorf zunächst bei den Evangelischen Beratungsstellen. Das mag angesichts der Sucht-Thematik verwundern, aber hier besteht in erster Linie ein erzieherisches Problem. Wir arbeiten mit den Erziehungsberatungsstellen eng zusammen und können bei Bedarf jederzeit in den Beratungsprozess mit einbezogen werden. Insbesondere um den Übergang vom problematischen oder missbräuchlichen Verhalten in die Sucht zu verhindern.

Auch Kinderärzt*innen, die oft in engem Kontakt mit Fachkliniken stehen, können wichtige*r Ansprechpartner*innen sein.

Wenn sich Eltern eingehender selbst mit dem Thema zu befassen wollen, empfehle ich die Initiative Klicksafe.

Photo by Victoria Heath on Unsplash

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